Heute geht es um das Thema Kommunikation. Genauer gesagt, es geht darum, wie wir mit anderen sprechen können. Das kann nämlich auf sehr verschiedene Weise geschehen. Hast du das auch schon mal erlebt, dass du etwas sagst, was dir wichtig ist, aber dein Gegenüber scheint es nicht zu hören oder hören zu wollen? Oder dein Gegenüber reagiert blöd, also ganz anders als gehofft? Das ist total nervig. Wir haben zum Glück in der Schule darüber gesprochen und ich habe einiges dazu gelernt.
Folgendes war vorgefallen: Meine Klassenkameradin Lilly Raupe hatte sich neulich ein Buch von mir geliehen, welches ich selbst noch nicht gelesen hatte. Sie fragte mich, ob sie es, solange ich noch ein anderes lese, ausleihen könnte. Ich stimmte dem zu aber vereinbarte mit ihr, dass sie es zu Beginn der nächsten Woche in der Schule an mich zurückgeben würde. Doch Lilly hatte das Buch am Montag und auch am Dienstag nicht dabei. Also sagte ich: „Lilly, immer bist du so vergesslich! Bring jetzt endlich mein Buch mit. Wir hatten das vereinbart. Wenn du es mir nicht bald gibst, leihe ich dir nie wieder etwas!“ Ach herrje, jetzt war Lilly beleidigt. Das wollte ich eigentlich auch nicht. Aber ich sagte noch: „Bring es bis Freitag mit, sonst werde ich richtig sauer!“ Das fand Lilly richtig doof und sie schrie zurück: „Stell dich nicht so an! So viel Gemecker wegen einem blöden Buch.“ Und plötzlich waren wir beide genervt voneinander und wollten für den Rest des Tages nichts mehr miteinander zu tun haben.

Herr Libelle, unser Lehrer, kam auf mich zu und sprach mich an. „Lumina, ich habe gerade mitbekommen, dass das Gespräch mit Lilly blöd gelaufen ist. Ich habe eine Idee, wie du in Zukunft mit ihr sprechen kannst, damit ihr nicht beide verärgert seid.“ Ich freute mich und sagte: „Das klingt toll.“ Herr Libelle schickte mich erst mal raus, da Pause war, versprach aber, in der nächsten Stunde mit der gesamten Klasse darüber zu sprechen. Als ich von der Pause zurückkam, stand an der Tafel: Wie du mitteilst, was dir wichtig ist. Ich setzte mich hin und wartete gespannt.
Herr Libelle teilte uns mit, dass er mit uns darüber reden wollte, wie wir anderen Kindern sagen können, wenn wir etwas nicht möchten oder uns etwas stört, was sie tun. Zunächst sammelte er mit uns Punkte an der Tafel, wie wir uns beim Sprechen verhalten sollten.
Es ist wichtig, wie du etwas sagst:
• Schaue die andere Person an
• Drehe dich mit deinem Körper zu ihr
• Sprich mit klarer Stimme, die nicht zu laut oder zu leise ist
• Sprich über dich selbst, also deine Gedanken und Gefühle
Falls es erst mal so aussieht, als ob dein Gegenüber dich nicht gehört hat, sprich es noch mal mit dem Namen an und frage, ob es dich verstanden hat.
Herr Libelle gab eine Beispielsituation vor. Ein Kind summt beim Ausfüllen eines Arbeitsblattes vor sich hin. Das Kind, das neben dran sitzt, kann sich nicht konzentrieren. Er schrieb an die Tafel:
Formuliere dein Anliegen nach dem folgenden Muster:
- Beobachtung: Benenne, was du siehst bzw. gesehen hast oder gehört hast.
Beispiel: Ich höre, dass du schon eine ganze Weile vor dich hin summst.
- Gefühl: Sprich aus, wie es dir damit geht.
Beispiel: Das macht mich wütend.
- Bedürfnis: Teile mit, was du brauchst.
Beispiel: Zum Lernen brauche ich Ruhe, sonst kann ich mich nicht konzentrieren.
- Bitte: Sage, was du dir vom anderen wünschst.
Beispiel: Könntest du bitte leise sein?

Herr Libelle fragte noch, warum es denn besser ist, von sich selbst, also seinen Gedanken und Gefühlen zu sprechen, als andere zum Beispiel mit Vorwürfen und Beschimpfungen zu konfrontieren. Sammy Biene hatte dazu einen guten Gedanken. „Also wenn ich angemeckert, beschuldigt oder kritisiert werde, dann habe ich erst mal keine Lust, mich mit dem anderen weiter zu unterhalten und zu tun, was er sagt.“ Wir anderen Kinder stimmten ihm zu.
Am Freitag traf ich Lilly gleich, als ich in der Schule ankam. Sie guckte mich erschrocken an, weil ihr in dem Moment bewusst wurde, dass sie mein Buch wieder vergessen hatte. Jetzt war klar, dass ich noch mal mit ihr reden musste. Erst sagte ich: „Lilly, als wir uns letztens wegen dem Buch gestritten haben, da waren wir nicht so nett zueinander. Das tut mir leid. Ich möchte mich ab sofort anders verhalten.“ Meine Freundin nickte. Und ich sagte: „Ich sehe, dass du mein Buch nicht mitgebracht hast. (Beobachtung) Ich bin traurig, weil ich es endlich lesen wollte. Seit einigen Tagen freue ich mich schon darauf. (Gefühl) Es ist für mich wichtig, am Wochenende neuen Lesestoff zu haben. Es soll regnen und ich will es mir zu Hause gemütlich machen. (Bedürfnis) Könntest du es mir bitte heute Nachmittag zu Hause vorbeibringen, wenn du auf dem Weg zum Klavierunterricht bist? (Bitte)“ Lilly war einverstanden. Sie sagte sogar auch Entschuldigung.
Am Nachmittag kam sie bei mir vorbei, brachte das Buch, ein Stück Kuchen und eine Karte, die sie selbst für mich gestaltet hatte. Ich setzte mich sofort aufs Sofa, aß den Kuchen und fing an zu lesen.
Deine Lumina
P.S.: In dieser Geschichte wird die „Gewaltfreie Kommunikation“ nach Marshall Rosenberg vorgestellt.
0 Comments